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Webdesign-Blog

30. April 2015

Buchbesprechung „Don’t make me think!“

Vor ein paar Wochen bekam ich vom mitp-Verlag ein Rezensionsexemplar des Buches „Don’t make me think!“ von Steve Krug zugesandt. Es handelt sich hierbei um die aktualisierte („revisited“) dritte Auflage, erschienen im Oktober 2014.

Don't make me think! - Steve Krug

Don’t make me think!: Web Usability (3. Auflage, überarbeitete Auflage 2014)
Steve Krug, Verlag „mitp“, als Taschenbuch mit 216 Seiten für 24,99 EUR

ISBN-10: 3826697057
ISBN-13: 978-3826697050

 

Jetzt endlich habe ich mir einen Nachmittag Zeit genommen, das Werk durch zu arbeiten (lieben Dank auch an die insgesamt sechs Leute, die mich währenddessen angerufen und in der Konzentration gestört haben).

Thema des Buches ist „Web Usability“, eine deutsche Beschreibung wie „Benutzerfreundlichkeit und Ergonomie von Webseiten“ klingt wohl heute zu altbacken und zu „uncool“. Schon auf den ersten Seiten schreibt der Autor dass, was mir auch sofort zum Titel eingefallen ist: „Don’t make me think“, was frei übersetzt soviel wie „Bringe mich nicht zum Nachdenken“ heißt, sagt bereits eigentlich alles.

Ein jedes technisches Gerät, eine jede Software und eine jede Webseite sollte so gestaltet sein, dass der Besucher bei deren Nutzung und Bedienung nicht oder nicht allzuviel nachdenken muss. Der Titel ist also gut gewählt.

Meistens wird zum Thema geschwafelt und theoretisiert, was das Zeug hält. Der Autor dagegen schreibt umgangssprachlich, in einem sympathischen, teilweise witzigem Stil, was das eher trockene Thema deutlich unterhaltsamer und verständlicher macht. Zahlreiche Screenshots und Grafiken werden zu Verdeutlichung eingesetzt, manchmal braucht man allerdings eine Lupe, um die Details zu erkennen.

Viel Wortwitz des Autors soll angeblich bei der Übersetzung verloren gegangen sein – manches kann man vielleicht auch gar nicht passend übersetzen – aber das stört mich persönlich nicht besonders.

In grauer Vorzeit

Ich muss vielleicht auch vorab noch sagen, dass mir dieses Thema nicht völlig neu ist. Als praktisch niemand Internet hatte und ich mit der Erstellung von Windows-Software meine Brötchen verdiente, war dies bereits ein großes Thema.

Ich erinnere mich noch gut an den Besuch zweier Boehringer Mannheim-Mitarbeiter Ende der 90er Jahre, die mir als Software-Programmierer damals die „BM User-Guidelines“ näherbringen sollten. Ziel dieser „Guidelines“ war es, dass alle Programme für die Geräte von Boehringer durch gleiche Anordnung der „Buttons“ und gleiche Beschriftung auch ungefähr gleich und „intuitiv“ zu bedienen sein sollten.

Seinerzeit war ich nicht sonderlich begeistert, musste ich doch die Benutzerführung fast komplett umbauen, heute sehe ich das aber anders. Soweit ich mich erinnern kann, war ich allerdings der Einzige, der diese Guidelines zu diesem Zeitpunkt tatsächlich umgesetzt hat.

Bei Boehringer Mannheim, wo ich oft für praktische Tests vor Ort anwesend war, wurde übrigens gerne ein sogenannter „DAU-Test“ durchgeführt, den jede Software überstehen musste. Man verstand unter „DAU“ einen mehr oder weniger schwachsinnigen Benutzer, den „dümmsten anzunehmenden User“.

Selbst dieser musste sich innerhalb der Software zurechtfinden und durfte sie keinesfalls zum Absturz bringen. Später fand sich allerdings immer noch jemand, der noch dümmer war, als wir uns es überhaupt nur vorstellen konnten.

 

Betriebsblindheit

Zurück zum Buch, beim Lesen desselben kam mir aufgrund meiner Erfahrungen so einige bekannt vor. Das größte Problem, sowohl bei der Software- als auch in der Webseitenentwicklung, scheint mir die Tatsache zu sein, dass der Programmierer bzw. Designer eine Webseite „für sich“ entwickelt, nicht für den Besucher. Da er weiß, wie die Seite funktioniert und wo sich die Informationen befindet, wird er automatisch sozusagen „betriebsblind“.

Dazu kommt dann noch die Eigenschaft vieler Leute zu meinen, das Universum würde sich nur um sie drehen und alle genau so „ticken“, wie sie selbst. Ich versuche schon länger, das zu vermeiden, will mich aber auch nicht komplett davon freisprechen.

Hauptnutzen des Buches ist es also, dem Designer von Webseiten anhand der Theorie und praxisbezogener Beispiele klar zu machen, dass er die Seiten nicht für sich, sondern für den Besucher, der die Seite noch nie vorher besucht hat, erstellen muss. Die Seite sollte das Problem des Kunden so einfach wie möglich lösen und nicht der „Selbstbeweihräucherung“ dienen.

Im Idealfall bekommt der Designer ein Gefühl dafür, wie ein Besucher wahrscheinlich vorgehen wird und ihm wird bewusst, dass dieses Vorgehen uU völlig anders ist, als ursprünglich gedacht.

Happy talk

Größere Schwierigkeiten hatte ich persönlich mit dem Kapitel 5: Lassen Sie nutzlose Wörter weg. Hier trifft die Benutzerfreundlichkeit auf Fragen der Suchmaschinenoptimierung; was genau ist „nutzlos“? Im Bereich SEO gilt: wenig Text = wenig Keywords = wenig Relevanz = schlechtes Ranking = weniger Besucher.

Wenig Text sieht meist auch optisch nicht gut aus und wirkt, als hätte der Inhaber der Webseite nichts zu sagen. Hier einen guten Kompromiss zwischen beiden Ansichten zu finden, halte ich für eine Herausforderung.

Manchmal muss man einfach allgemeine Sätze bringen, wenn man nicht als „Rüpel“ daherkommen und höflich bleiben möchte. An wichtigen Stellen sollte man den „Happy talk“ dann auch lieber vermeiden, z.B. in Zusammenfassungen, Formularen, Hinweisen etc.. Universelle Regeln gibt es hier wohl nicht, da braucht es Erfahrung, Fingerspitzengefühl und eine „Antenne“ für das Problem.

 

Usability-Tests

Steve Krug beschreibt in seinem Buch ausführlich die (kostengünstige) Durchführung sogenannter „Usability-Tests“. Schön und gut, mE aber eher praxisfern. Ein solcher Test beschränkt sich nach meinen persönlichen Erfahrungen meist darin, dass der Kunde die Seiten selber ausprobiert und subjektiv bewertet, ob er alles findet und meint, dass seine Besucher wahrscheinlich alles finden werden.

Vielleicht holt er auch noch ein paar Meinungen von Freunden und Bekannten ein, mehr wird nicht gemacht und ein Etat für einen solchen Test existiert erst gar nicht.

Oft kommt noch ein zeitliches Problem hinzu, Geld muss verdient werden, das Hamsterrad dreht sich, die Uhr tickt – für so einen „Luxus“ bleibt dann keine Zeit. Das ist vielleicht bedauerlich, aber Praxis. Bei größeren Projekten, die für mich als Einzelkämpfer aber wohl nicht zu stemmen wären, mag das allerdings anders aussehen.

Grundsätze

Ich habe in meinem Blog, schon vor dem Studium dieses Buches, einige Grundsätze für eine benutzerfreundliche Webseite aufgestellt, hier nochmal die wichtigsten Punkte:

  • Flugzeugcockpit vermeiden: Navigation und Seitenlayout sollten überschaubar sein, den Benutzer nicht verwirren. Weniger ist meist mehr.
  • Inhalte zusammenfassen: Sowenig Seiten, wie möglich – soviele Seiten, wie nötig.
  • Gliederung der Texte: Absätze, Haupt- und Zwischenüberschriften sehen gut aus, erleichtern das Lesen und sind gut für die Suchmaschinen.
  • Kundenorientierung: Texte sollten so geschrieben sein, dass Sie Wege zur Lösung der Probleme des Kunden aufzeigen. Negativbeispiel wäre eine reine Selbstdarstellung („Ich bin toll“), dazu neigen leider viele.
  • Die ewig gültige Regel: „KISS – Keep it small and simple“.

Da ich diese, obgleich anders beschrieben, im Buch wiedergefunden habe, kann ich das Buch insgesamt empfehlen.

 

Fazit

Insgesamt halte ich die knapp 25 EUR für Steve Krugs Buch für sinnvoll investiert, auch wenn Sie meinen, schon eine Menge im Bereich „Benutzerfreundlichkeit und Ergonomie von Webseiten“ zu wissen oder sich hier gar für „unfehlbar“ halten.

Vieles könnte man sich mit einem halbwegs ausgeprägten „gesunden Menschenverstand“ zwar auch selber denken, aber wer hat den schon? Und es ist immer gut, das Thema einmal in komprimierter Form „vor Augen geführt“ zu bekommen. Da besagtes Werk mit ca. 200 Seiten auch nicht zu umfangreich und kurzweilig geschrieben ist, schaffen es auch gestresste Leute wie ich, etwas Zeit zum Lesen zu finden.

Bei meiner Webseite manoftaste.de hat mir dieses Buch tatsächlich ein paar Stellen aufgezeigt, in denen ich Usability-Fehler ausmachen konnte. Beispielsweise war der Einleitungstext auf der so wichtigen Startseite zu lang, zuviel „Happy Talk“.

Nachdem ich die ersten Absätze auf das wesentliche gekürzt hatte, gefiel es mir deutlich besser, der Text kommt jetzt direkt „zum Punk“. Auch den einen oder anderen Menüeintrag habe ich anhand der im Buch genannten Argumente überdacht, 25 EUR wäre mir das in jedem Falle Wert gewesen.